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aktualita MEMORY DEPOSIT06|03|2024 - 27|04|2024
Jilská 14, Praha

The MEMORY DEPOSIT exhibition is conceptually designed as an intuitive authorial mini-retrospective. It mixes references to civilization (antiquity) and persona! memory (references to the artist's mother and father).

Awake Dreaming

David Abram betont die Bedeutung unserer Beziehung zur nicht-menschlichen Welt: „Wir sind Menschen nur im Kontakt und in der Verbindung mit dem, was nicht-menschlich ist.“
Das Medium der sinnlichen Wahrnehmung ist unser Körper, der tatsächlich das „Subjekt des Bewusstseins“ ist. Merleau-Ponty entdeckt den reziproken Charakter der körperlichen Wahrnehmung als gegenseitige Bedingtheit des wahrnehmenden und wahrgenommenen Seins; in einem bestimmten Sinn geht es sogar um einen „reversiblen Aspekt des allgemein lebendigen Elements, d.h. des „Fleisches“, das gleichzeitig gefühlt und fühlend ist.“ Subjekt und Objekt sind darin miteinander dynamisch kommunizierende, sich gegenseitig bedingende und durchdringende Entitäten; dies deutet den komplexen und inteiligibien Charakter der Realität an. Es geht deshalb nicht dämm, die Welt dergestalt von außen zu erklären, „sondern der Welt eine Stimme von der von uns erfahrenen Situation innerhalb der Welt selbst zu geben…“. Merleau-Pontys und Abrams Interpretationen der körperlichen Wahrnehmung entsprechen in diesem Sinn der Erfahrung des Wilden, wie sie von dem amerikanischen Dichter Gary Snyder beschrieben wird: „Das Wilde... ist weder Subjekt noch Objekt... es muss daran von innen herangegangen werden als an den inneren Wert dessen, was wir sind.“
…Das Schaffen des bildenden Aktions- und Konzeptkünstlers Miloš Šejn verkörpet einen solchen Bezug zur Welt. Šejns Kunst wurzelt in seiner starken Bindung an das mythische und historische Gedächtnis der Landschaft des Böhmischen Paradieses und des Riesengebirges, und so ist er den Traditionen der Romantik des 19. Jahrhunderts stark verbunden (Karel Hynek Mácha, Caspar David Friedrich). In diesem Sinn bildet das Wandern durch die Landschaft und das Pilgern einen integralen Bestandteil seiner Kunst. Bereits in seiner Kindheit unternahm er ausgedehnte Wanderungen und omithologische oder botanischen Forschungsreisen in die Umgebung von Jičín und auch in andere Gebiete, was seinen künstlerischen Ausdruck wesentlich prägte. Er erfasste seine Beobachtungen mit Hilfe einer Foto- und später Filmkamera und legte Sammlungen von Pflanzen, Steinen oder natürlichen Farbpigmenten etc. an. Die ästhetische Dimension dabei begann für ihn seit der Mitte der 60er-Jahre immer größere Bedeutung zu gewinnen.
Ein wichtiges wiederkehrendes Moment in der Arbeit von Šejn ist die Auffassung einer „Reise“ (d.h. des Schaffens) als „(Umher-) Irren“ im Sinn eines träumenden Bewusstseinszustands, in dem das Gemüt und die Landschaft in einem dauernden emotionalen Austausch sind, aus dem allmählich die Sprache eines künstlerischen Werks entsteht. Das Irren, das der Künstler oft thematisiert (z. B. mit den Labyrinthen der Felsenstädte des Böhmischen Paradieses), evoziert die Vorstellung eines Eintauchens in die verborgenen Naturgeheimnisse und die Verunsicherung des eigenen Ich, seiner Erweiterung oder „Auflösung“ im größeren Ganzen des Daseins.
Miloš Šejn erlebt die Landschaft als lebendigen Körper, unmittelbar verbunden mit seinem eigenen. Dies kommt bei ihm in „Berührungen“ und gestenhaften Spuren in seiner Interaktion mit der Landschaft zum Ausdruck. Sejns Aufforderung: „Sich berühren und klingen!“ resoniert mit der Vorstellung des romantischen Malers Philipp Otto Runge: „Alles klingt in einem Akkord“. Beispielhaft ist hier seine Aktion „Dotek trávy / Das Gras berühren“ 1967, die mit dem Erlebnis des „ozeanischen Bewusstseins“ verbunden war: „Ich berührte das Gras und wurde zu allem - ich sah alles, ich fühlte alles, und ich wurde von allem gefühlt.“ Novalis schreibt über diese „Eigenschaft, außer sich zu sein“: „Es ist kein Schauen, Hören, Fühlen: es ist aus allen dreien zusammengesetzt, mehr als alles Dreies: eine Empfindung unmittelbarer Gewissheit, eine Ansicht meines wahrhaftesten, eigensten Lebens.“ Ähnlich wie bei Novalis ist dieser Zustand, in dem sich Wahrnehmung und Erkenntnis von selbst transformiert, auch bei Miloš Šejn mit der Wahrnehmung der Schönheit als ganzheitiichem geistigem Charakter der Welt verbunden. Das Geistige und das Physische, das Naturgesetziiche und das Wundersame erscheinen darin als zwei Seiten desselben. Davon spricht auch F. W. J. Schelling, wenn er über die schöpferischen formgebenden Kräfte in der Natur und deren Beziehung zum Geistigen nachdenkt. Für Schelling ist in allen Dingen dieser Welt eine innere Geistesmaterie verborgen, die immer wirksam ist und auf ihre Befreiung wartet.

Extract from text by Jiří Zemánek: Sich berühren und klingen / Miloš Šejn und die Phänomenologie der Wahrnehmung, Hagia Chora 17/2003

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